Paroles de Chet

Reinhard Mey
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Wir durften in den Laden damals ja noch gar nicht rein
Und wenn sie dich erwischten, gab es jede Menge Ärger.
Ich sah grimmig aus und cool, um ‘n bisschen älter zu
Erschein‘
Vor dem Jazz-Tempel Augsburger Straße, Ecke Nürnberger.
In meinem Ami-Parka lungerte ich rum vorm Notausgang
Manchmal kam jemand raus und ließ die Tür kurze Zeit offen
Und mit dem warmen Rauch, der nass und schwer ins Freie
Drang,
Kamen Fetzen von Musik und ich stand wie vom Schlag
Getroffen.
Ich kam fast jeden Abend, hab an der Eisentür gelauscht.
Mal kam eine Bedienung raus, "Na, Kleiner, das könnte dir
So passen!"
Und ich hab meine Briefmarkensammlung bei ihr eingetauscht,
Dafür hat sie mich von der Garderobe aus zuhören lassen.
Da spielten sie: Bob Whitlock, Bass, verzückt und
Selbstverlor‘n,
Saxophon Gerry Mulligan, um den sich alles drehte,
"Das Uhrwerk" Chico Hamilton, und mir klingt‘s heut noch
In den Ohr‘n:
Der liebe Gott himself: Mister Chet Baker, Trompete!
Und wenn er spielte, dann war‘s als ob die Welt ringsum
Versank
Den Blick in sich gekehrt, ließ er die Melodien entstehen
In einem klaren, schwerelosen und lupenreinen Klang.
Ich hielt den Atem an, mir sollte nicht ein Ton entgehen.
Und er spielte noch genial, als er schon an der Nadel hing,
Entzug, Rückfall, Entzug, das Leben ging ihm aus den Fugen.
Und er spielte wie ein Engel, als er durch die Hölle ging
Und sie ihm bei ‘ner Keilerei alle Zähne ausschlugen.
An Abenden wie heut, wenn ich ihn in alten Platten such,
Will sich ein andres Foto durch die Hochglanzcover blenden:
Das Bild des Todgeweihten, um den Hals das weiße Tuch,
Das silbern funkelnde Instrument in knöchernen Händen.
Dann ist‘s, als setzte er‘s mit schmalen, blassen Lippen
An,
Als wenn ein Blues legato, federleicht vorüberwehte -
In Amsterdam verreckt nachts 3 Uhr 10 auf der Straße ein
Mann,
The God Father himself, Mister Chet Baker, Trompete.
InterprèteReinhard Mey
LabelEMI
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